Ausstellungen

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

ich begrüße Sie sehr herzlich zur Eröffnung der Ausstellung 4inspiration. 

4 Künstlerinnen und Künstler präsentieren Ihnen Arbeiten aus ihrem aktuellen Oeuvre.

Es handelt sich um bildhauerische Skulpturen unserer Gastdozentin Alexandra Slava, zeichnerische und malerische Arbeiten unserer Dozentin Dinda Lestari, fotorealistische und freie Werke von unserer Dozentin Delaram Homayouni sowie zeichnerische Arbeiten meiner Wenigkeit. 

Parallel zur Ausstellungszeit laden wir Sie zudem herzlich ein, auch praktische Tuchfühlung zu den ausgestellten Werken und den künstlerischen Verfahrensweisen zu gewinnen. Daher werden 4 unterschiedliche praktische Seminare angeboten, die entsprechenden Termine finden Sie auf unserer Homepage. Ich werde sie zudem im Anschluss meiner Einführungen noch etwas genauer erläutern. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch noch weitere Seminare, die aktuell und in kommender Zeit angeboten werden. Für nähere Informationen ergründen Sie dafür ebenfalls unsere Homepage. 

Und wenn ich schon einmal dabei bin, erinnere ich der Vollständigkeit halber gerne auch an das alles überragende Semesterstudium der wfk, das daraus abgeleitete Fernstudium sowie unsere Juniorenklassen, in die man jeweils jederzeit einsteigen kann. 

Wie Sie sicherlich schon erfahren haben, feiert die Wiesbadener Freie Kunstschule dieses Jahr ihr 20jähriges Jubiläum des Fernstudiums sowie in diesem und kommenden Jahr das mittlerweile 50jährige Bestehen der wfk. Diese Ausstellung liefert den Auftakt zu vielen Projekten bis weit ins nächste Jahr hinein.

Kommen wir nun einmal zu den Inspirationsquellen, die Ihnen unsere heutigen Ausstellerinnen liefern. 

Die Ausstellung umfasst zum einen Skulpturen von Alexandra Slava. Jedes Werk repräsentiert die Reflexion der Künstlerin über die verschiedenen Aspekte des menschlichen Daseins, gesehen durch die Linse ihrer persönlichen Erfahrungen. Obwohl ihre Arbeiten sehr persönlich sind, versucht Alexandra Slava, ihre Ideen auf eine Weise auszudrücken, die für jeden Betrachter allgemein zugänglich und nachvollziehbar ist. Dazu verwendet sie die Sprache der realistischen figurativen Kunst, verstärkt durch ein einzigartiges expressionistisches Flair.

Im Mittelpunkt des dreitägigen Skulpturen-Workshops von Alexandra Slava steht die Erforschung des menschlichen Schädels und die traditionelle Kunst des Modellierens mit Ton. Unter fachkundiger Anleitung der Dozentin erlernen die Teilnehmer die Anatomie und die Knochenstruktur eines Kopfes sowie die Technik der realistischen Darstellung des Schädelmodells in drei Dimensionen. Alexandra Slava bietet eine systematische Methode an, mit der sich diese Aufgabe mit viel Spaß und Erfolg bewältigen lässt. Das letztendliche Ziel des gegebenen Ansatzes ist es, das kreative Potenzial des Teilnehmers durch die Entwicklung einer starken handwerklichen Fertigkeit freizusetzen.

Delaram Homayouni präsentiert zwei unterschiedliche Arbeitsstränge. Zum einen demonstriert sie ihr einzigartiges Können im Rahmen der fotorealistischen Malerei, aus der sich auch der entsprechende Kurs ableitet, der im Übrigen dreimal wöchentlich angeboten wird. Die Meisterhaftigkeit ihrer speziellen Technik erschloss sich mir, als selbst eingefleischte Realismus-Maler sich an ihr erprobten und feststellen mussten, dass Aufbau, Farbkalkül und technische Umsetzung eine außergewöhnliche Spezialität darstellen, die in dieser Besonderheit selten und nur in absoluten Fachkreisen bekannt ist. Wer also den Kurs bei Delaram Homayouni besucht und konsequent am Ball bleibt, wird zugunsten seiner ganz eigenen künstlerischen Ambitionen enorm profitieren. Sie lernen Geduld, exaktes Sehen und Übertragen, minutiöses bis nahezu magisches Farbenmischen, Aufbau der Komposition und deren farbtechnische Schichtung bis hin zum illusorischen Feinschliff, der tief in die Trickkiste der Malerei und Farbinteraktion hineingreift. Selbst Kinder und Jugendliche haben sehr erfolgreich und mit eindrucksvollen Werken den Kurs absolviert. Er ist also wirklich für jeden geeignet, der etwas Zeit und Geduld mitbringt.

Den zweiten Arbeitsstrang von Delaram Homayouni bilden die frei-künstlerischen Arbeiten, die sich allesamt um das Motiv des Baums ranken. Durch einen nahezu grotesken Verhältniskontrast zwischen einem miniaturisierten Stamm und einem riesigen Baumkronenkasten mit astronomischen Ausmaßen wird die Ungleichgewichtung von Stabilität und den überdimensionierten lebendigen Auswüchsen auf eine markante Weise ästhetisch ausbalanciert, die sich als Gleichgewicht im Ungleichen in ganz besonderer Ausprägung artikuliert. Ein winziger, zerbrechlicher Stamm hält eine enorme Lebenskrone im Gleichgewicht, die sich ihrerseits äußerst streng selbst reglementieren und daher sich zu statischen Stilkästen ausprägen muss. Das Leben im Korsett, so könnte man die Struktur der Werke zusammenfassen. Durch die Technik des Sgraffito mäandern regelrechte Lebensadern über die Fläche hinweg und kristallisieren sich zu einem stilisierten Ornament des Lebens aus. 

Dinda Lestari kombiniert in ihrer Werkreihe der Crazy Moods großformatige realistische Zeichnungen mit farbautonomen Aquarellen. Stimmungen können sowohl gegenständlich als auch ungegenständlich, mit den Mitteln der autonomen Kunst, zum Ausdruck gebracht werden. Eine Reminiszenz an Johannes Itten steigt hier auf, der in seinem berühmten Bauhaus-Unterricht die von seinen Studenten präsentierten Gemälde und Farbstudien den Urhebern zuordnen konnte, da die Charaktere der Personen, ihr Auftreten und Aussehen mit dem Farbformcharakter der Kompositionen korrespondierten. Das künstlerische Arbeiten ist für Dinda Lestari ein Akt der Meditation, der energetischen Sammlung und Konzentration. Ihr geht es nicht um die realistische Abbildung an sich, sondern um die mentalen Transformationen während des Arbeitens. Die Merkwürdigkeiten der Introspektion, der Versuch der Erinnerung an die Stimmungen, die bei der fotografischen Protokollierung vorgelegen haben könnten, fließen in die zeichnerische Übersetzung der Selbstporträts ein, die im Laufe der Entstehung subjektiven Veränderungsentscheidungen unterworfen werden. Dinda Lestaris Philosophie der Motiventstehung erinnert mich persönlich an eine Aussage des Protagonisten in dem Film Lost Highway von David Lynch: ‘Ich habe meine eigene Art der Erinnerung an die Vergangenheit. Wie ich mich an die Vergangenheit erinnere ist nicht notwendigerweise die Art, wie sie geschah.’ Das Spiel um Selbstreflektion und Selbsterkenntnis kann in den hier präsentierten Werken eindrucksvoll nachvollzogen werden. In ihrem Workshop wird Dinda Lestari mit Ihnen zusammen zeichnen und Sie in die Welt der übertragenden Technik einführen. 

Meine künstlerische Vorgehensweise ist immer ein Wagnis in die offene Zukunft. Die offene Zukunft bietet mir die Freiheit, in der nächsten Sekunde es anders zu machen als erwartet, geplant, erwünscht. Der Künstler ist zur Freiheit regelrecht verurteilt. Je nach Charakter wird diese Freiheit mehr oder weniger in Anspruch genommen. Aber gerade der glücklichste Wert, den wir Menschen durch das Leben geschenkt bekommen haben, die Freiheit, muss erarbeitet, erkämpft werden. Intuition hilft mir dabei, die Freiheiten, die mir zur Verfügung stehen, zu erspüren und zu kontrollieren, eigene Gesetzesstrukturen aufzubauen, die ihren ganz eigenwilligen überraschenden ästhetischen Wert besitzen und ihrerseits Inspirationsquelle für weiterführende Handlungen darstellen. Exakte Wiedergabe ist für mich persönlich undenkbar, denn schließlich zählt nicht nur der Arbeitsprozess selbst, sondern immer auch das Resultat. Und das soll die erlebten und materialisierten Inspirationen an die Menschen weitertragen.

Gerade Kunst steht in der Verantwortung, dem Menschen die Freiheit des Denkens und Fühlens zurückzugeben, die ihm in der Lebenswirklichkeit immer mehr abhandenkommt. Der Gegenstand, das Motiv ist für mich Anlass für das freie Experimentieren. Künstlerisches Arbeiten ist für mich das Auskosten von Möglichkeiten, das experimentelle Heraufbeschwören des Unerwarteten. Auftretende Fehler werden als Anlass genommen, sie in ein Strukturgeflecht der Gelungenheit und autonomen Stimmigkeit umzuwandeln. Mein Ziel ist letztlich immer ein autonomes Gebilde. Oft gelingt mir ein solches nicht. 

Der von mir angebotene Workshop kreist um die künstlerische Methode der kontrollierten Intuition. Wir zeichnen zusammen und inspirieren uns gegenseitig. Ich gebe Einblick in mein bildnerisches Denken und Handeln beim Arbeiten an einem beliebigen Motiv, das wie gesagt immer nur Anlass geben soll für befreite Abweichungen von Normalitätserwartungen. 

Fühlen Sie sich zu allen unseren 4 Workshopangeboten herzlich eingeladen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zu dem seelischen Zustand unserer Gesellschaft und zur heilenden Kraft von Kunst sagen.

Gerade in der heutigen Zeit, in der die Freiheitsrechte des Menschen immer mehr eingeschränkt werden, muss die Kunst als letzte Bastion von Freiheit ihre Rechte und Potentiale verteidigen. Es ist für mich erstaunlich zu sehen, wie jahrzehntelang die Funktion der Kunst als gesellschaftliches Korrektiv mantraartig beschworen wurde, gerade jetzt aber die Mehrheit der Künstler, wenn es auf sie ankommt, schön brav sich dem verordneten, auf Dauer gestellten Ausnahmezustand anbiedert.

Wir befinden uns aktuell in einem unerträglichen Zustand der Spaltung. Es ist eine Art Bürgerkrieg im Kopf. Man kann einfach nicht mehr miteinander reden. Die einen glauben das, die anderen das. Beide Parteien stehen sich fassungslos kopfschüttelnd gegenüber und wollen und können sich nicht mehr verstehen. In Wirklichkeit jedoch sitzen wir alle im selben Boot und lassen uns gegeneinander aufbringen. Diese Kriegstechnik ist nicht neu, aber höchst effektiv, wenn es darum geht, Freiheiten immer weiter zu beschneiden, im Endeffekt die von uns allen. Gerade der Appell an die angebliche Vernunft macht aus den einen die Vernünftigen, Solidarischen und gesellschaftlich Akzeptierten und aus den anderen die Abtrünnigen, Unbelehrbaren, Asozialen, zu Entrechtenden. Kommt uns dieser Mechanismus nicht irgendwie bekannt vor? Müssten gerade wir nicht aus der Vergangenheit gelernt haben? Statt dessen haben Denunziation, Verleumdung, Missgunst, Hass, Abstrafung, Zensur Hochkonjunktur. Und merken wir nicht alle, dass dieses Kartenhaus der Rationalität und Alternativlosigkeit bereits im Begriff ist einzustürzen? Immerhin haben sich bislang alle Anfangsbedingungen der Pandemie als haltlos herausgestellt. Wenn vorgeschobene Rationalität auf die Spitze getrieben wird und sich radikalisiert, schlägt sie in ihr Gegenteil um, in pure, menschenunwürdige Irrationalität, die mehr Schaden verursacht als irgendein zu vernichtender, vielleicht nur imaginierter Feind. Kunst als Mahnerin hat versagt, die fehlende Autonomie in uns hat versagt. 

Kunst stellt uns vor Augen, was Autonomie bedeuten kann: selbst denken, nicht für einen denken lassen, Strukturen hinter den geschönten Oberflächen erkennen und nicht bei der Oberfläche verbleiben, Alternativen von Möglichkeiten zulassen und untereinander abwägen, ein eigenes, authentisches, an den Gesetzen der Natur orientiertes Lebensgerüst aufbauen, das anderen Menschen im positiven, gesundheitsförderlichen Sinne inspiriert.

Die heilende Kraft der Kunst bindet uns als Menschen zusammen. Sie offenbart uns die Irrtümer, denen wir erliegen und ruft uns auf, uns auf ein menschliches Miteinander zu besinnen, ein Miteinander, das ohne Repression und Feindschaft auskommt - ein gemeinsam erstrittenes Miteinander orientiert an den unhintergehbaren Gesetzen der Schöpfung und ihrer Autorität, die die Überzeugungskraft haben wird, unsere Fehler demütig einzugestehen und unsere Freiheit an ihr und nicht an von Menschen verfolgten Kontroll- und Machtinteressen auszurichten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Dr. Michael Becker / Schulleitung wfk


 

 

 

 

Wolfgang Becker